Veränderung Bestandsgebäude
Veröffentlicht von Besecke in Bestandsimmobilien · Freitag 05 Jan 2024 · 6:00
Tags: Bestandsstatik, Veränderungen, Photovoltaikanlagen, Wärmedämmung, Dachstuhl
Tags: Bestandsstatik, Veränderungen, Photovoltaikanlagen, Wärmedämmung, Dachstuhl
Veränderungen an Bestandsgebäude durch Lasterhöhungen
Dies kann sehr komplex sein, denn die neuen Veränderungen am Gebäude waren bei der Erbauung des Gebäudes nicht bekannt und wurden bei der damaligen Statik natürlich nicht berücksichtigt. Die tragenden Bauteile wurden dementsprechend damals nicht für die neuen Lasteinwirkungen ausgelegt.
Aus diesem Grund und aus unserer Erfahrung können wir jedem Eigentümer nur empfehlen, sich von einem erfahrenen Statiker im Vorfeld der geplanten Veränderung beraten zu lassen.
Auch beobachtet man immer häufiger in der heutigen Zeit, dass großflächig PV-Anlagen und Dämmmaterial auf Dachflächen von Bestandsgebäuden/Lagerhallen angebracht und verlegt werden. Man kann immer zur Gewährleistung der Standsicherheit nur hoffen, dass die Statik des Gebäudes geprüft wurde. Verantwortlich für die Standsicherheit des Gebäudes ist immer der Eigentümer und hier stellt sich immer die Frage, was ist mir als Eigentümer die Standsicherheit wert. Wir hören öfter in Beratungsgesprächen, „wird schon halten und was soll schon passieren“ bzw. „die Berechnungen sind viel zu teuer“.
Stimmt, Statiker arbeiten auch nicht umsonst.Grundsätzlich gibt die Landesbauordnung RLP vor:
„Die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung und der Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 bedürfen der Genehmigung (Baugenehmigung), soweit in den §§ 62, 67, 76 und 84 nichts anderes bestimmt ist.“ (§ 61 LBauO RLP)
10. tragende und nicht tragende Bauteile
a) tragende oder aussteifende Bauteile im Innern von Gebäuden nach § 66 Abs. 1 mit Ausnahme von Kulturdenkmälern; die Bauherrin oder der Bauherr muss sich vor Baubeginn die Unbedenklichkeit der Maßnahme von einer Person nach § 66 Abs. 6 Satz 1 bestätigen lassen,
b) nicht tragende oder nicht aussteifende Bauteile im Innern von Gebäuden, bei Gebäuden, die nicht unter § 66 Abs. 1 (vereinfachtes Genehmigungsverfahren) fallen, jedoch nur außerhalb von Rettungswegen; ausgenommen sind Kulturdenkmäler;
„(2) Keiner Baugenehmigung bedürfen ferner:
3. der Ausbau einzelner Aufenthaltsräume im Dachraum von Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3, wenn die äußere Gestaltung des Gebäudes nicht verändert wird; in der Dachfläche liegende Fenster sind zulässig,
„(3) Die Genehmigungsfreiheit entbindet nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch baurechtliche und sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften an bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen gestellt werden.“
Wer ist nach Landesbauordnung eine Person nach § 66 Abs. 6 Satz 1 LBauO RLP?
„(6) Standsicherheitsnachweise für Vorhaben nach Absatz 1 Satz 1, ausgenommen Wohngebäude der Gebäudeklasse 3, müssen von Personen aufgestellt sein, die in einer von der Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz zu führenden Liste eingetragen sind.“
Stellt sich die Frage, wie die Begriffe „tragende und aussteifende Bauteile“ auszulegen sind?
- Sind das Aufbringen von zusätzlichen Lasten auf den tragenden Teil des Dachstuhls einschl. der Decken infolge der Lastverfolgung Änderungen entsprechend § 62 Nr. 10 LBauO RLP?
- Ist der Abbruch einer Innenwand zur Vergrößerung der Innenräume ebenfalls eine Änderung im Innenbereich?
- Wie verhält es sich mit der Dämmung auf der obersten Geschossdecke oder der Kellerdecke?
- Braucht man beim Ausbau des Dachgeschosses zu Aufenthaltsräumen die Unbedenklichkeitsbescheinigung eines Statikers?
Nach unserer Auffassung sind solche Lasterhöhungen nicht als Instandhaltungsmaßnahme zu deklarieren und somit vom Bestandsschutz nicht gedeckt. Die heutigen Lasterhöhungen durch Dämmung, Trockenbau, PV-Anlagen oder neue Nutzlasten hat der damalige Statiker in seiner Bestandsstatik bei der Wahl der Abmessungen der tragenden Bauteile nicht gewusst und somit nicht berücksichtigt.
Beispiele aus unseren täglichen statischen Berechnungen können Sie in den anderen BLOG-Beiträgen entnehmen.
Bei unseren Ortsbesichtigungen von Bestandsgebäuden haben wir auch noch andere statische Situationen festgestellt, was bei der Frage des Bestandsschutzes ebenfalls zu beantworten ist. So mussten wir beim Vergleich der vom zuständigen Bauamt angeforderten Bestandsstatik mit dem jetzigen Ist-Zustand der tragenden Bauteile feststellen, dass nicht so damals gebaut wurde wie in der alten Bestandsstatik ausgewiesen. Ist das damals keinem aufgefallen?
So wurden die Einflußbreite der Dachsparren vergrößert um bei den Sparrengelagen zu sparen einschl. der Verkleinerung der Holzabmessungen. Statt Stahlbetonbalken wurden verrostete Stahlträger vorgefunden. Vorhandene Kragdecken beim Balkon oder Decken über Kellergeschoß konnten in der Bestandsstatik nicht gefunden werden.
Ein weiterer wichtiger statischer Gesichtspunkt ist der Zustand der tragenden Bauteile aus Holz und Stahl nach jahrelanger Nutzung und Aussetzung der Witterung. So haben wir stark verrostete Stahlträger in Kaiserdecken, verfaulte Holzbalkenauflager in Außenwänden oder fehlende Verbindungsmittel im Dachstuhl vorgefunden. Wenn jetzt noch zusätzliche Lasten in wesentlichem Umfang dazukommen, dann kann die Standsicherheit gefährdet sein.
Hier trifft Instandsetzung gleichzeitig auf neue statische Nachrechnungen, weil der Bestandsschutz nach unserer Ansicht erloschen ist.
Fazit:
Jeder Gebäudeeigentümer, dem die Standsicherheit wichtig ist, sollte sich eine aussagekräftige Bestandsstatik beim Bauamt besorgen.
Besonders bei Kaufverhandlungen sollte der Käufer nach der Bestandsstatik beim Verkäufer/Makler fragen. Dies betrifft auch Neubaugebäude von z.B. Bauträger um zu prüfen, ob nach der Statik gebaut wurde und ob Erklärungen des Statikers über die ordnungsgemäße statische Ausführungen entsprechend seiner Statik vorliegen.
Auf dieser Grundlage kann geprüft werden, ob beim Gebäude statische Veränderungen vorgenommen wurden bzw. nach der Bestandsstatik gebaut wurde.
Bei geplanten Veränderungen im Innenbereich von Gebäuden oder der energetischen Modernisierung können wir immer nur empfehlen, sich von einem listengeführten Tragwerksplaner zu den statischen Verhältnissen beraten zu lassen.
Energieberatung ist zwar schön aber für die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme sind die statischen Folgekosten oder notwendigen Maßnahmen entscheidend. In vielen Fällen mussten wir feststellen, dass bei der energetischen Beratung die statischen Belange am Gebäude nicht behandelt oder verschwiegen wurden. Entsprechend der rechtlichen Hinweispflicht ist aber jeder Energieberater angehalten, auf die Einhaltung der Standsicherheit des Gebäudes infolge energetischer Modernisierung schriftlich den Eigentümer hinzuweisen.
Das Thema der Veränderungen von Bestandsgebäuden ist sehr komplex und kann am Besten in einer Einzelberatung mit einem Statiker gelöst werden.
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