Statik Beispiel energetische Modernisierung

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Statik Beispiel energetische Modernisierung

Bauplanung, Baustatik, Bauherrenberater, Baumängel, Schulungen, Gutachten
Veröffentlicht von Besecke in energetische Modernisierung · Samstag 11 Mär 2023
Tags: GebäudemodernisierungStatikDachstuhlPhotovoltaikanlage
Bedeutung der statischen Berechnungen für die Standsicherheit der Gebäude an Hand eines Beispieles

Die energetische Modernisierung von älteren Bestandsgebäuden aus den 60-ziger bis 80- ziger Jahre ist dringend erforderlich und notwendig. Durch den Unterhaltungsstau bei Fenster, der Außenwände und der alten Heizungsanlagen ist der Energieverlust erheblich.
Allerdings ist der Blickwinkel ausschließlich auf die energetischen Dämmmaßnahmen und den Heizwärmepumpen in Verbindung mit einer PV-Anlage/Solarthermie viel zu eng und zu kurz und bildet bei den Baukosten nur die Halbwahrheit wieder. Gerade bei älteren Bestandsgebäuden muss der Blickwinkel auf die Stand- und Gebrauchssicherheit der Gebäude erweitert werden.
Hat man sich für eine energetische Modernisierung entschieden und hat keinen Blickwinkel auf die Gebäudestatik, kann es schnell zu Standsicherheitsprobleme am Gebäude kommen und was später zu Bauschäden wie Risse usw. führt.

Wie kommt man zu so einer Einschätzung?

Wir hören öfters in unserem Statikeralltag, dass Dämmstoffe und eine PV-Anlage nur ein sehr geringes Gewicht darstellen und der Dachstuhl bzw. die Decke schon halten wird.
Wirklich, solche Aussagen sind reine Spekulation und lenken von den wirklichen Verhältnisse ab.
Bei unterschiedlichen Dämmstoffen und Stärken und einer PV-Anlage können schon einmal ca. 50 - 80 kg/m2 zusätzliche Lasten auf den Dachstuhl einschl. Decken einwirken. Die Frage ist dann, ob die Standsicherheit des Gebäudes noch gesichert ist. Verantwortlich ist dafür der Gebäudeeigentümer.

1) Wusste der Statiker bei der Erbauung des alten Bestandsgebäudes, dass in 40 - 50 Jahren zusätzliche Lasten von ca. 50 - 80 kg/m2 auf die tragende Bauteile wirken und hat er es berücksichtigt?
2) Wie hoch sind die Lastreserven und der Zustand der tragenden Bauteile?
3) Stimmt der vorgefundene Ist-Gebäudezustand überhaupt noch mit der alten Bestandsstatik überein?
4) Werden die Vorschriften der Landesbauordnung  (z.B. § 62 Nr. 10 a) LBauO RLP) durch den Gebäudeeigentümer eingehalten?

Ganz nebenbei sind Architekten, Dachdecker oder Zimmerer keine Personen im Sinne § 66 Abs. 6 Satz 1 LBauO RLP.
Wenn also von der Politik eine energetische Modernisierung von alten Bestandsgebäuden festgelegt wird, dann sollte der Blickwinkel auf die Probleme mit der Gebäudestatik erweitert werden.
Eine Prüfung muss immer im konkreten Einzelfall durch einen listengeführten Tragwerksplaner erfolgen.

I. Diese Problematik soll an einem konkreten Einzelbeispiel aus unserer alltäglichen Arbeit verdeutlicht werden.

Ein Gebäude aus dem Jahr 1961 soll nach dem Kauf entsprechend dem Gebäudeenergiegesetz energetisch saniert werden. Gleichzeitig wird eine PV-Anlage auf dem Dachstuhl vorgesehen. Die alte Bestandsstatik wurde vom zuständigen Bauamt vorgelegt.
Annahmen aus der Bestandsstatik:
- Dachstuhl unausgebaut mit Ziegeleindeckung
- Sparren 8/14
- Sparrenabstand 0,55 m
- Dachneigung 50°
Spannungsnachweis für die Holzsparren wurde geführt.
Gebrauchsnachweis (Durchbiegung) nicht vorhanden

Vorgefundener Ist-Zustand nach Gebäudebesichtigung
- Dachstuhl ausgebaut mit Ziegeleindeckung
- Sparren 7/13,5
- Sparrenabstand 0,73 m
- Dachneigung 50°

Die Nachrechnung des Ist-Zustandes ergab folgendes Ergebnis:
statisches System:

Bemessung der Sparren:


Interessant ist, dass auch 1961 bereits der Bauträger/Baufirma sich nicht an die Baustatik gehalten halt. Der Dachschrägenausbau erfolgte später anscheinend ohne Rücksprache mit einem Statiker. Dadurch wird heute der Gebrauchsnachweis nicht erfüllt, was aber zu der damaligen Zeit keine entscheidende Rolle gespielt hat. Es hat aber nun Auswirkungen in der heutigen Zeit auf die energetische Sanierung.

Ganz wichtig für die energetische Gebäudesanierung ist die, in statischer Hinsicht, richtige Auswahl der Dämmstoffe, da jede Dämmstoffart unterschiedliche Rohdichten/Gewichte hat.  
a) Der energetische Fahrplan des Energieberaters in unserem Beispielfall sieht nachfolgende Sanierung vor:
Zwischensparrendämmung = Paraflex = 8,40 kg/m2 = 0,084 KN/m2
Aufsparrendämmung = Paratherm = 11,50 kg/m2 = 0,115 KN/m2
U-Wert = 0,17 W/(m2K)
PV-Anlage auf der linken Sparrenseite = 0,25 KN/m2
- Bemessung der Sparren energetische Sanierung mit Holzfaserdämmstoff:


b) Alternative Möglichkeit Mineralwolle:
Zwischensparrendämmung = Klemmrock 035 = 5,60 kg/m2 = 0,056 KN/m2
Aufsparrendämmung = Masterrock 035 = 9,50 kg/m2 = 0,095 KN/m2
U-Wert = 0,16 W/(m2K)
PV-Anlage auf der linken Sparrenseite = 0,25 KN/m2
- Bemessung der Sparren energetische Sanierung mit Mineralwolldämmung:


Annahme:
Die Holzsparren NHL 24 sowie alle Verbindungsmittel haben nach 60 Jahren Gebrauch noch die 100%-ige Tragfähigkeit und der Dachdecker/Zimmerer ist seiner Hinweispflicht nach LBauO vor Ausführung nachgekommen.

Die statischen Berechnungen zeigen auf, dass im linken Teil weder die Tragfähigkeit noch die Gebrauchsfähigkeit der Holzsparren gegeben sind. Bei der rechten Sparrenseite ist die Gebrauchsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt.
Eine weitere wichtige statische Frage ist, ob die Firstpfette die zusätzlichen Lasten problemlos aufnehmen kann. Noch spannender in diesem Fall ist, ob der Stahlträger in der Decke diese Lastenerhöhungen aus den Pfettenstützen aufnehmen kann. Diese Lastverfolgung über die tragenden Bauteile ist ebenfalls vom Statiker vorzunehmen, denn die zusätzlichen Lasten enden nicht am Auflager der Dachsparren!!!
Bei der Firstpfette kommt es durch die energetische Modernisierung zu einer Lasterhöhung von 43% = 208 kg/m, welche über die Pfettenstützen in den Stahlträger innerhalb der Decke geleitet werden.

In der Bestandsstatik ist die Firstpfette als Einfeldträger berechnet.
Stützweite: 3,11 m
Abmessung: 16/ 24
Dieses gewählte statische System widerspiegelt natürlich nicht das wirklich ausgeführte System. Allerdings unter den Bedingungen von 1961 ohne Computer und Statiksoftware ist diese Berechnung zur Ermittlung des Widerstandsmomentes nach Q x l2/8 ausreichend. Dies hatte auch der Prüfingenieur bestätigt. Somit liegt ein Bestandsschutz vor.
Jetzt, wo neue zusätzliche Lasten auf den Dachstuhl aufgebracht werden sollen, ist eine Berechnung nach den heutigen Berechnungsansätze vorzunehmen.
Was wurde für ein statisches System bei der Ortsbesichtigung festgestellt?
- Fachwerk  mit Durchlaufträger über 3 Felder mit Gelenke und Holzstützen mit Kopfbändern
- Abmessung Durchläufträger 16/24
- Abmessung Holzstütze und Kopfbänder 14/14
Die Nachrechnung des statischen Ist-Systems ergab, dass die zulässigen Spannungswerte der Holzpfette eingehalten werden und noch Lastreserven bestehen. Bewusst oder unbewusst hat der Zimmerer vor 60 Jahren ein ausreichendes statisches System gewählt.
Allerdings was nicht weiter betrachtet/beachtet wurde, dass die Holzstützen nicht direkt auf tragende Wände stehen sondern im Feld der Decke. Zur Aufnahme der Kräfte aus den Holzstützen wurde ein IPE 120 eingebaut. Die Nachrechnung dieses Stahlträgers ergab, dass die zulässigen Spannungswerte deutlich überschritten wurden und der Stahlträger verstärkt werden muss.

Fazit:
Die Betrachtung der statischen Gebäudesituation bei einer energetischen Modernisierung erfolgt immer am konkreten Einzelfall und kann nur durch einen listengeführten Tragwerksplaner vorgenommen werden. Sprüche wie "das hebt noch" oder "hat so lange gehalten" sind reine Spekulation. Verantwortlich bei der Änderung von tragenden Bauteilen ist immer der Gebäudeeigentümer. Zusätzliche Lasteintragungen stellen ebenfalls eine Änderung der tragenden Bauteile dar. Auch wenn es Kosten verursacht, sollte man sich bei einer geplanten energetischen Gebäudesanierung immer von einem listengeführten Tragwerksplaner hinsichtlich der Standsicherheit des Gebäudes beraten lassen.
Neben den energetischen Baukosten sollten gleichfalls Baukosten für statische Verstärkungsmaßnahmen eingeplant werden.
Sind statische Verstärkungsmaßnahmen wie in unserem konkreten Einzelfall notwendig (hier eine Aufdopplung der Sparren auf 7/18, verstärkung des Stahlträgers), kann man gleichzeitig die Wärmedämmung noch verbessern und so "zwei Fliegen mit einer Maßnahme" schlagen.

Was können wir aus unserer Erfahrung empfehlen:
- Besorgen sie sich die alte Bestandsstatik vom Gebäude einschl. der alten Zeichnungen
- Vergleichen Sie überschläglich, ob die derzeitige Gebäudesituation mit den alten Zeichnungen noch übereinstimmt.
- Stellen sie bereits Unterschiede fest, lassen sich sich von einem Statiker über die statischen Möglichkeiten bei einer Ortsbesichtigung beraten und eine Nachrechnung der tragenden Bauteile vornehmen.
- Wenn sie die statischen Möglichkeiten einschl. der Folgen kennen, entscheiden sie über die Art der energetischen Modernisierung entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten.

Wenn Sie Fragen haben, dann können wir sie auch Online via SKYPE oder ZOOM in einem Einzelgespräch beraten.



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