Theorie und Baupraxis

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Dipl. Ing. Uwe Besecke LL.M
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Theorie und Baupraxis

Bauplanung, Baustatik, Bauherrenberater, Baumängel, Schulungen, Gutachten
Veröffentlicht von Besecke in Bestandsimmobilien · Donnerstag 12 Okt 2023
Tags: StatikBestandsgebäudePVAnlagenStandsicherheit
Theorie und Praxis der Gebäudestatik bei der Bauausführung
 
Ein alter Glaubenssatz geht davon aus, dass Theorie und Praxis zweierlei sind. Das trifft nicht nur in anderen Lebensbereichen zu, sondern auch, nach unseren Berufserfahrungen, in der Bauausführung von Gebäuden. Besondern aber in der Rohbauphase eines Objekts, weil in den meisten Fällen die statisch wichtigen Komponenten überbaut werden und so nicht mehr geprüft werden können. Dies betrifft besonders die Herstellung von Stahlbetonbauteilen oder den Dachstuhl, aber auch verputzte Mauerwerke oder Installationen unter schwimmenden Estrichen.
 
Schon immer wurden bei Baumaßnahmen im Rahmen der Baugenehmigung zur Standsicherheit eines Gebäudes eine Gebäudestatik gefordert. Ohne Statik kann kein Gebäude gebaut werden.
Schon immer haben wir auch die unterschiedlichsten Sprüche von Baufirmen gehört, warum eine Statik Unsinn ist und dass man viel einfacher und kostengünstiger ohne Statiker bauen kann.
Allerdings ist nach dem Werkvertragsrecht festzustellen, dass der Auftragnehmer seine Leistung entsprechend der übergebenen und geprüften Statik ausführen muss oder er muss vor Ausführung seine berechtigten Bedenken schriftlich darlegen.
 
Hier nur einige Beispiele von unserer unabhängigen Baubegleitung und statischen Bauüberwachung während der Bauausführung.

„Bewehrung brauchen wir nicht, weil wir keinen Bunker bauen“

a)    Bei einem Gebäude wurden wir nach unserer Statik zur Bewehrungsabnahme der Fundamente bestellt. Zum Termin stellten wir fest, dass die Betonage schon teilweise ausgeführt wurde. Stahlbewehrung bei den elastisch gebetteten Fundamenten wurde augenscheinlich nicht festgestellt. Auf Rückfrage beim Bauträger wurde uns gesagt, dass die Stahlbewehrung im Stau steht und ehe der Beton im Trommler hart wird, wurde betoniert. Erstaunlich, denn wären wir zur Abnahme nicht da gewesen, hätte keiner später feststellen können, ob Stahlbewehrung überhaupt eingebaut wurde oder nicht. Der LKW mit der Bewehrung ist bis zum Feierabend nicht auf der Baustelle angekommen. Man musste somit davon ausgehen, dass an der Bewehrung gespart werden sollte. Eine Frage der Gewinnoptimierung, was man später nur schwer bei einem Schaden/Riß überprüfen kann.
Fazit, die betonierten Fundamente mussten abgebrochen werden und worden später ordnungsgemäß nach Statik wieder hergestellt.

b)    Bei einer Großbaustelle haben wir im Rahmen unserer Bauüberwachung festgestellt, dass der Rohbauunternehmer immer in der Spät – und Nachtschicht Bewehrungs- und Betonagearbeiten durchgeführt hat. Danach wurden uns Protokolle von den Bewehrungsabnahme vorgelegt, welche nicht schlüssig waren. Auf Druck des Bauherrn wurden die Betonlieferscheine vom Betonlieferanten angefordert. Gleichzeitig waren wir als Bauleiter des Auftraggebers in der Spätschicht auf der Baustelle und haben die verlegte Stahlbewehrung in den Decken dokumentiert. Dabei wurde festgestellt, dass die verlegte Stahlbewehrung nicht mit dem Bewehrungsplan übereinstimmte, die Betongüte und die Deckenstärke zu gering waren.
Fazit, die Decken wurden auf einer Länge von ca. 150 m abgebrochen und neu hergestellt. Für den entstandenen Bauverzug wurde erfolgreich der Rohbauunternehmer zu Verantwortung gezogen.

„Passt schon, machen wir immer so“

a)    Auf einer anderen industriellen Großbaustelle waren für das Flachdach entsprechend den Detail- und Ausführungsplänen der Architekten und Bauphysiker bestimmte Materialien für den Dachaufbau vorgesehen, ausgeschrieben und beauftragt wurden. Der Generalunternehmer ignorierte aus Kostengründen diese Materialvorgaben obwohl die Bauüberwachung ständig diese Abweichungen anzeigte und auch dokumentierte. Es musste das kommen, was die Bauphysiker bei dem vorhandenem Innenraumklima vorausgesagt hatten.
Bei warmem Wetter und blauem Himmel tropfte es im Innenbereich vom Dach als ob es regnen würde. Peinlich für den Generalunternehmer, welcher von dem bekannten Auftraggeber so vorgeführt wurde.
Fazit, es mussten ca. 30.000 m2 Dachfläche vollständig abgerissen und erneuert werden. Alle entstandenen Schäden musste der Generalunternehmer ausgleichen.
 
b)    Bei einem Schulbau wurde eine neue energetische Dämmfassade einschl. außenliegenden Sonnenschutz angebracht. Kurz vor der Schließung der Außenfassade stellte der Prüfer fest, dass es Fehlbohrungen an den tragenden Fassadenteile gibt und informierte die örtliche Bauüberwachung. Diese ignorierte die Hinweise einschl. Bilddokumentationen aus Zeitgründen. Auf Druck des Prüfers wurde die Fassade wieder geöffnet, weil die Gefahr bestand, dass die Fassadenteile auf den Schulhof stürzen könnten. Die Firma führte aus, dass man die berechneten Schraubbefestigungen überhaupt nicht brauchen würde.
Fazit, die Fassade wurde geöffnet und alle Schraubverbindungen unter Hinweis des Prüfingenieurs erneuert.

                         

„Früher war alles besser“

Stimmt das wirklich?
 
Wenn wir die alten Bestandsstatiken bei Umbaumaßnahmen, energetischen Modernisierungen oder der Installation von Photovoltaikanlagen mit dem vorhandenen Istzustand vergleichen, kann man nur oftmals staunen.
Natürlich kann man die Stahlbewehrung in den alten Stahlbetondecken nicht mehr prüfen aber sehr wohl die Abmessungen in den Holzbalkendecken oder Pfettendächer einschl. Holzpfetten und Holzstützen.
Schon früher spielten Gewinnoptimierung, Kosteneinsparungen und Unkenntnis von fachmännischer Ausführung einschl. der Ignoranz der statischen Berechnungen eine wichtige Rolle.
 
So wurde der Sparrenabstand von statisch berechneten 65 cm auf 72 cm erhöht um eine Lage Sparren zu können. Ein weiteres Beispiel ist die Verringerung der Sparrenabmessungen von statisch berechneten 14/18 cm auf 12/16 cm oder Pfettenabmessungen von statisch notwendigen 26/26 cm auf 24/24 cm.
 
Bei einem anderen Bestandsgebäude war in der Bestandsstatik aus den 90ziger Jahren eine Dachneigung von 38° Grad ausgewiesen, vorgefunden wurde eine Dachneigung von 34° Grad.
 
Bei einem Bauträgerhaus ebenfalls aus den 90ziger Jahren war die Stahlbetonkellerdecke 4-seitig auf den Außenwänden aufgelagert, ausgeführt wurde eine einseitige Kragdecke, welche auf 2 Seiten ihr Endlager auf den Außenwänden hatten. Da die Bewehrungsführung bei Kragdecken anders ist, stellt sich die Frage, welche Bewehrung und wo eingebaut wurde.
Bei einem anderen Bauträgerhaus musste der Keller einschl. Bodenplatte durch hohes Grundwasser in WU-Bauweise ausgeführt werden. Der zuständige Statiker hat entsprechend der Rißweitenbeschränkung des Stahlbetons die Stahlbewehrung und die notwendige Betongüte berechnet und ausgewiesen. Der angestellte Bauleiter des Bauträgers hatte die Bewehrungsabnahme vorgenommen und als ordnungsgemäß schriftlich bestätigt. Nach einigen Jahren bei einem hohen Grundwasserstand drang Wasser in den Keller ein und verursachte Schäden. Bei der Prüfung der Bilddokumentation, welche der Bauherr nebenbei angefertigt hatte, wurde festgestellt, dass die anerkannten Regeln der Technik der WU-Richtlinien nicht eingehalten wurden.

     

Die Auswirkungen wegen statischer Mängel oder nicht qualitätsgerechter Baustoffe kann man dann auch an den tragenden Bauteilen deutlich nach den Jahren sehen. Sei es Nässeschäden oder Risse, welche oftmals erst nach Ende der Gewährleistungsfristen auftreten und hohe Sanierungskosten verursachen.
Fazit, die alten Bestandsgebäude müssen neu statisch nach dem Ist-Zustand nachgerechnet werden einschl. der Zusatzlasten aus Dämmstoffen und PV-Anlagen.
 
Leider mussten wir auch feststellen, dass diese Änderungen durch Hauseigentümer nicht beachtet werden, was bedenklich ist, wenn es bereits bei der Bestandsstatik wesentliche Abweichungen vom Ist-Zustand anzutreffen ist. Die Standsicherheit eines Gebäudes müsste eigentlich im Interesse eines jeden Hauseigentümers sein, nach unserer Ansicht.
 
Aus diesem Grund können wir beim Kauf eines Bestandsgebäudes jeden nur raten, sich vom Makler/Verkäufer die alte Bestandsstatik zeigen zu lassen und diese von einem Statiker mit dem vorgefundenen Ist-Zustand zu vergleichen. Ist eine Abweichung des Ist-Zustandes von der Bestandsstatik vorhanden sollte man vorsichtig sein. Die Klärung des Sachstandes vor Ort mit einem Statiker kann vor bösen Überraschungen und Kosten schützen.
 
Bei einem Neubau empfehlen wir, die Bauausführung, besonders im Rohbau, von einem unabhängigen Baubegleiter/Statiker begutachten zu lassen. Gleichzeitig sollte man sich die Bewehrungsabnahmen mit Datum, Unterschrift und Firmenstempel vom Abnehmenden zeigen lassen. Zusätzlich sollte man sich die Betonlieferscheine und die Lieferscheine der Baumaterialien zeigen lassen und diese mit der Statik vergleichen.

Wie schön heißt es in einem Sprichwort, „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“.


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