Bauen im Bestand

B + B  Planungsbüro
Dipl. Ing. Uwe Besecke LL.M
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listengeführter Tragwerksplaner und Bauvorlageberechtigter Ing. Kammer RLP
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Bauen im Bestand

Bauplanung, Baustatik, Bauherrenberater, Baumängel, Schulungen, Gutachten
Veröffentlicht von Besecke in Bestandsimmobilien · 28 Dezember 2021
Tags: UmbauUmnutzung
Bauen im Bestand
 
Wenn Bestandsimmobilien übernommen und dann umgebaut/umgenutzt werden sollen, stellt sich die Frage nach den allgemeinen Anforderungen aus den Landesbauordnungen.
 
Die erste Frage ist, ob das äußere Erscheinungsbild der Bestandsimmobilie verändert werden soll oder nur der Innenbereich.

„Die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung und der Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 bedürfen der Genehmigung (Baugenehmigung), soweit in den §§ 62, 67, 76 und 84 nichts anderes bestimmt ist. (§ 61 LBauO RLP)
   
Genehmigungsfrei sind Vorhaben wo tragende oder aussteifende Bauteile im Innern von Gebäuden nach § 66 Abs. 1 mit Ausnahme von Kulturdenkmälern verändert werden. Die Bauherrin oder der Bauherr muss sich vor Baubeginn die Unbedenklichkeit der Maßnahme von einer Person nach § 66 Abs. 6 Satz 1 bestätigen lassen (§ 62 Abs. 1 Nr. 10 LBauO RLP).

Wer sind Personen nach § 66 Abs. 6 Satz 1 LBauO RLP, welche die Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen dürfen?
 
„Standsicherheitsnachweise für Vorhaben nach Absatz 1 Satz 1, ausgenommen Wohngebäude der Gebäudeklasse 3, müssen von Personen aufgestellt sein, die in einer von der Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz zu führenden Liste eingetragen sind. In die Liste sind auf Antrag Personen mit einem berufsqualifizierenden Hochschulabschluss eines Studiums der Fachrichtung Architektur oder Bauingenieurwesen einzutragen, die mindestens drei Jahre regelmäßig Standsicherheitsnachweise aufgestellt oder geprüft haben.“

Tragende bzw. aussteifende Bauteile sind z.B. der Dachstuhl, die Decken und alle Innenwände. Veränderungen von diesen Bauteilen können
 
- neue Nutzlasten (Verkehrslasten)
- neue Eigenlasten durch Dämmung, PV-Anlagen, Fußbodenaufbauten
- neue Einzellasten durch Trockenbauwände
- Abbruch von Wänden o.ä.
sein.

Die Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Änderung und Instandhaltung von bestehenden baulichen Anlagen.
 
Keiner Baugenehmigung bedürfen ferner der Ausbau einzelner Aufenthaltsräume im Dachraum von Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3, wenn die äußere Gestaltung des Gebäudes nicht verändert wird, in der Dachfläche liegende Fenster sind zulässig (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 LBauO RLP). Allerdings greift auch hier der § 62 Abs. 1 Nr. 10 LBauO RLP (Unbedenklichkeitsbescheinigung eines Statikers), weil in den meisten Fällen neue Nutzlasten im Dachbereich durch Aufenthaltsräume entstehen. Dazu ist zusätzlich zu beachten, dass Aufenthaltsräume im Dachraum eine lichte Raumhöhe von 2,20 m über der Hälfte ihrer Grundfläche haben müssen (§ 45 Abs. 4 LBauO RLP).

Nach unseren Erfahrungen werden alte Bestandsimmobilien in erster Linie so verändert, um den neuen Lebensbedürfnissen nach größeren lichtoffenen Räumen und energiesparenden Maßnahmen der neuen Eigentümer gerecht zu werden.
 
Werden durch Umnutzung eines Gebäudes oder dessen Umbaus Eingriffe in die historische Bausubstanz notwendig, so sind die in diesem Zusammenhang stehenden statischen Nachweise nach den aktuell geltenden bauaufsichtlichen Regeln durchzuführen. Gerade bei historischen Holzkonstruktionen ergeben sich bei der Anwendung der bauaufsichtlichen Regeln Sicherheitslücken. Dies sind z.B. die Nachweisführung der Stand- und Tragsicherheit sowie Gebrauchstauglichkeit von bestehenden Holzkonstruktionen.

Entscheidend ist nicht die subjektive Architektur der geplanten Veränderungen sondern die objektive Nachweisführung der Stand- und Gebrauchssicherheit durch einen Tragwerksplaners.

Ausgangspunkt der Arbeit des Tragwerksplaners bei der Bewertung der vorgefundenen Bausubstanz, ihrer Erhaltungswürdigkeit und Prüfung auf Instandsetzungsnotwendigkeiten ist die allgemeine Überprüfung der statisch-konstruktiven Funktionsfähigkeit der eingebauten Bauteile. Will man die Beanspruchbarkeit von Holzbauteilen und -verbindungen in Altbauten beurteilen, so sind nach den Regeln der Berechnungsnorm DIN EN 1995-1-1:2010 die für die Nachweisführung notwendigen Eingangsgrößen wie charakteristische Festigkeits- und Steifigkeitskennwerte festzulegen.
  
Von großem Vorteil ist dabei, wenn die alte Bestandsstatik vorhanden ist und diese mit dem vorgefundenen Zustand verglichen werden kann. Sind Holz- oder Stahlbauteile verbaut, so kann man auch ohne Bestandsstatik diese Bauteile einer visuellen Prüfung und Aufmaß unterziehen. Fast aussichtslos ist es, wenn Stahlbetondecken oder Stürze früher verbaut wurden und es keine Berechnungen bzw. Schal- und Bewehrungspläne mehr gibt. Woher will man dann wissen, welche Stahlbewehrung und welche Betongüte verbaut wurden.
 
Aber auch im Holzbau ist es schwierig, wenn man nicht die Festigkeitssortierung des Holzes aus der Bestandsstatik entnehmen kann. Dann können nur Annahmen getroffen werden.
   
Konstruktionen in Altbauten unterliegen also wegen ihrer teilweise sehr langen Nutzungszeit den unterschiedlichsten Beanspruchungen. Langandauernde Belastungen führten zu Kriechverformungen, Überlastungen, Brüche, langandauernde Feuchtigkeit fördert tierischen oder pflanzlichen Befall der Holzsubstanz, Eingriffe der Nutzer in das Tragwerk verändern das ursprüngliche statische System, langzeitige Temperatureinwirkung oder aggressive Medien veränderten die Holzstruktur, Brände schädigten die Konstruktion, Baumängel aus der Entstehungszeit führen zu Überbeanspruchungen, frühere unsachgemäße Instandsetzungen schädigen die Konstruktionen.
   
Beispiele aus der Praxis:
 
  • Durch eine langandauernde Überlastung (z.B. durch nachträglichem Zementestrich) haben sich die ca. 4,50m langen Holzdeckenbalken um 2,50 cm durchgebogen. Zulässig sind entsprechend der Gebrauchsfähigkeit ca. 1,20 cm. Dies bedeutet, dass statisch eine Verstärkungsmaßnahme oder eine Entlastung der Holzbalkendecke notwendig wird. Die Vorschädigungen der Holzbalken sind also erheblich. Weitere Untersuchungen im Auflagerbereich sind zusätzlich notwendig.
  • Beim Bau eines EFH wurde bei der Bauausführung von der Gebäudestatik abgewichen, weil sich der damalige Eigentümer die Räume anders vorgestellt hatte und Geld für eine neue Statik sparen wollte. Jahre später hat der damalige Eigentümer eine größere PV-Anlage auf das Dach montieren lassen. Das hält schon, wurde von der bauausführenden Firma bestätigt. Das EFH wurde verkauft und die neuen Eigentümer stellten bei einer statischen Nachrechnung fest, dass die tragenden Dachbauteile nicht mehr tragfähig sind.  
     
Daraus ergibt sich, dass Altbaukonstruktionen in den seltensten Fällen den Regeln der Norm entsprechen und in jedem Einzelfall zusätzliche Untersuchungen zum Bauzustand, der Art und dem Umfang der Baumängel und Bauschäden sowie den Schadensursachen notwendig werden.

So müssen die vom Statiker getroffenen Annahmen vor Ort genau analysiert werden. Dies erfordert eine Standsicherheitsuntersuchung zum Zeitpunkt vor einer notwendigen Sanierung und Instandsetzung sowie eine Untersuchung unter Berücksichtigung künftiger Nutzeranforderungen.

Der Nachweis der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit schließt deshalb zusätzliche Untersuchungen zum tatsächlichen Kraftfluss und dem real vorliegenden statischen System sowie aus der zukünftigen Nutzung resultierenden statischen Anforderungen ein.

Die Bewertung des Einflusses von Schädigungen auf die Festigkeit und Tragfähigkeit von Holzbauteilen ist bei den statischen Nachrechnungen zu berücksichtigen. Dies können u.a. sein:
 
- Holzzerstörende Insekten
- Holzzerstörende Pilze
- Korrosion von Holz
- Temperatureinflüsse auf Holz
- Mechanische Schädigungen des Holzes
   
Aus unserer langjährigen Erfahrung können wir feststellen, dass Holzschädigungen besonders im Auflagerbereich der Holzbalken auf den Außenwänden oder in Bereichen von Feuchträumen wie Bad, Einzelwaschbecken oder ehemaligen Waschküchen sowie undichte Dachbereiche auftreten können. Diese Bereiche sind besonders zu untersuchen und zu dokumentieren.
   
Wie sollte man nun beim Bauen im Bestand vorgehen?
 
a)    Man sollte versuchen, sich die Bestandsstatik vom Gebäude u.a. von der zuständigen Baubehörde zu besorgen. Schließlich wurde früher bei der Erbauung des Gebäudes auch ein Bauantrag eingereicht, die Statik gehörte ebenfalls dazu.
b)    In jedem Fall sollte man sich durch einen Statiker bei den geplanten Maßnahmen beraten lassen. Dazu gehören die Sichtung der alten Bestandsstatik und der Vergleich mit den vorgefundenen tragenden Bauteilen.
c)    Holzbauteile sollten auf Schädlingsbefall untersucht werden.
d)    Tragende Bauteile sind statisch nachzurechnen hinsichtlich Trag- und Gebrauchsfähigkeit
 
Natürlich sind diese Untersuchungen bei einem Umbau/Umnutzung sehr intensiv und die Kosten sollten zur eigenen Sicherheit eingeplant werden.
 
Besser ist, wenn man sich beim Kauf einer Bestandsimmobilie durch einen Statiker beraten und begleiten lässt. Durch diese Baubegleitung kann eingeschätzt werden, ob die Umbauten statisch möglich sind und welche Kosten durch eine Sanierung entstehen können.


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